Matthias Jung


 

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Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

Predigt zur Konfirmation 2010 -
Arbeit, die ich wirklich, wirklich will

Und der Herr, unser Gott, sei uns freundlich und fördere das Werk unsrer Hände bei uns. Ja, das Werk unsrer Hände wollest du fördern!
(Psalm 90,17)

 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern, liebe Patinnen und Paten!

Im letzten Jahr haben wir hier unter anderem über die zentralen menschlichen Fragen gesprochen: Liebe, Glaube, Tod und Sterben, Arbeit. Arbeit war dabei das letzte Thema vor den Osterferien. Ich fand das sehr spannend, und ich hatte auch den Eindruck, viele von Euch auch. Daher habe ich mich entschlossen, das Thema heute hier in Eurem Konfirmationsgottesdienst noch mal aufzugreifen.

Arbeit, was ist das eigentlich? Gar nicht so einfach zu sagen. Klar, Job und Beruf haben damit zu tun. Aber ist das schon alles? Was ist denn z.B. mit der Hausarbeit? Oder der ehrenamtlichen Arbeit? Arbeiten Politiker? Oder Pfarrerinnen und Pfarrer? Oder Schülerinnen und Schüler in der Schule? Arbeit, was ist das....? Über Sprichwörter haben wir uns dem genähert. Ein paar habe ich hier auf dem Liedblatt abgedruckt:

Lust und Liebe zu einem Ding, macht die schwerste Arbeit gering.

Der Mensch ist zur Arbeit, der Vogel zum Fliegen geschaffen. ( Martin Luther)

Die Arbeit lebe hoch, so hoch, dass ich sie nicht erreichen kann.

Erst die Arbeit und dann das Vergnügen!

Ich arbeite ohne zu arbeiten. (Joan Miro)

Arbeit macht das Leben süß, und Faulheit stärkt die Nerven.

Wir gehen arbeiten, damit wir später leben können. Es sollte doch so sein: Wir arbeiten, damit wir jetzt leben.

Erbitte Gottes Segen für deine Arbeit, aber verlange nicht, dass er sie tut.

Die Liste lässt sich lange fortsetzen.

Arbeit, wohl wahr, ein Thema, dass uns alle angeht. Jede und jeder hat damit zu tun, jede und jeder kann mitreden. Oft ist es so, und hier war es nicht anders: Erst mal wird gestöhnt, wenn ich von Arbeit anfange zu reden. Aber schnell wurde das differenzierter. Arbeit ist nicht nur notwendiges Übel, Arbeit kann auch interessant sein. Wobei wir so sehr von unserem heutigen Wirtschaftssystem gepägt sind, dass wir bei Arbeit fast immer zuerst an Erwerbsarbeit, an bezahlte Arbeit denken. An ehrenamtliche Arbeit, oder an die Hausarbeit oder gar an die Arbeit von Schülerinnen und Schülern in der Schule kommt man, wenn überhaupt, erst später zu sprechen.

Der Mensch ist zur Arbeit geschaffen, sagt Luther. Nun heißt es im Schöpfungsbericht, dass Gott von allen Dingen, die er geschaffen hatte, am Ende sagt: Das ist sehr gut. Ja, dann muss aber diese unsere oft so widerspenstige anstrengende, ungeliebte Arbeit eigentlich ursprünglich auch gut gedacht gewesen sein und heute unter uns immer noch gut sein können. Zufrieden sein mit dem Werk meiner Hände. Meinen Lebensunterhalt verdienen können. Aber auch: einander bereichern. Miteinander - ich sag´s mal so - die Welt wohnlich gestalten.

Fragen wir doch mal, was das bedeuten könnte und schieben unsere Fragen, Zweifel, negativen Erfahrungen erst mal an die Seite.

Beginnen wir da, wo ich auch mit euch begonnen habe:

Es macht Sinn, zwischen dem was mir Spaß macht und dem, was ich kann, zu unterscheiden.

Viele meinen, dass man davon aus gehen sollte, wenn man überlegt, was man man später machen will. Was macht mir Spaß, wo habe ich Spaß (oder "Fun", wie Ihr sagt) dran. Das kann eine hilfreiche Frage sein, kann aber auch in die Irre führen. Klar: Es ist ja wunderbar, wenn mir das, was ich beruflich mache - und davon rede ich jetzt erst mal -, auch Spaß macht. Und es ist schlecht, wenn meine Arbeit mir nie Spaß macht, sie mir nur zur Last wird, ich nur mit Widerwillen arbeite. Aber da seid ihr ja noch nicht. Ihr steht vor der Frage in den nächsten Jahren, was Ihr denn arbeiten möchtet, womit Ihr Euren Lebensunterhalt verdienen wollt. Und da macht es Sinn nicht zuallererst vom Spaß oder Fun auszugehen, sondern zuallrerst zu fragen, was Ihr richtig gut könnt oder meint zu können, wo Eure Begabungen liegen.

Mein Eindruck aus Gesprächen mit jungen Menschen ist: Ihr habt da in Eurem Alter oft noch ein gutes Gespür dafür, aber mit den Jahren geht das bei vielen - nicht allen! - durch Frustrationen, Berufsberatung und so weiter allmählich verloren. Das ist sehr schade.

Es gibt da noch einen anderen Gedanken, und der war echt spannend, als wir drauf zu sprechen kamen. Ich hatte den Eindruck, dass einige von euch da echte Aha-Erlebnisse hatten: Wir alle werden meist viel zu selten danach gefragt, was wir gut können, wo unsere Stärken liegen. In der Schule z.B. geht es meist darum, an den Schwächen zu arbeiten. Die 5 in Mathe muss weg, die 2 in Englisch ist ja schön. Und ich kenne das ja von mir selbst als Vater auch: wenn das Zeugnis oder der Elternsprechtag kommt, worum geht es: Schwächen ausbessern, gute Noten "halten". Stärken fördern?! Die 1- in eine 1+ verwandeln? Als ich danach gefragt, gab es überraschte Augen. Keine Frage: es gibt Förderung von Begabungen, auch in der Schule, aber wir alle haben da weniger ein Auge drauf als an den Schwächen rum zu doktorn. Das ist schade, denn:

Es gibt kaum etwas Befriedigenderes wie eine Arbeit, die ich wirklich von Herzen will.

Und das hat sehr oft viel mit dem zu tun, was ich richtig gut kann.

Vor anderthalb Jahren hatten wir hier in Voerde den Philosophen Frithjof Bergmann zu Gast, deutschstämmiger Amerikaner, in den USA sehr bekannt, in Deutschland nur relativ wenig. Eigentlich schade, denn was er über´s Arbeiten denkt, ist hoch spannend. Er sagt:

»Der beste Weg zu einem Leben in Erfüllung und Intensität ist, wenn man eine Arbeit tut, die man ernsthaft und aus tiefstem Herzen tun will.«

Steiler Satz. Aber der ist nicht, wie man bei einem Philosophen vermuten könnte, am Schreibtisch entstanden. Diese Antwort ist aus der Erfahrung in vielen praktischen Projekten erwachsen. Bergmann hat gearbeitet mit Sträflingen, mit Eskimos, mit Arbeitslosen, mit Menschen in Slums in Südafrika. Aber auch mit Wohlstandsbürgern in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die sich die Frage stellen, ob sie eigentlich mit ihrer beruflichen Arbeit wirklich zufrieden sind. Frithjof Bergmann kommt zu dem ernüchternden Ergebnis: Viele Menschen sind sehr unzufrieden mit ihrer Arbeit. Manche leiden sehr drunter, andere nicht so sehr, sie haben sich dran gewöhnt wie an einen Schnupfen, von dem sie hoffen, dass er bald vorbei geht. Mit vielen Menschen hat Bergmann über ihre Arbeit gesprochen und er kommt zu dem Schluß:

»Es kommt nicht jeder, aber doch ein Großteil der Menschen, mit denen wir der Frage, was sie ernsthaft tun wollen, ausdauernd und geduldig nachgegangen sind, am Ende des Tages zu der Schlussfolgerung, dass es eine Arbeit ist, die sie anregt, eine Arbeit, die sie kräftigt, und ganz besonders eine Arbeit, die sie tiefer ins Leben hineinzieht.«

Das ist doch dann schon ganz nah bei Luther: Arbeit und Leben ganz eng beieinander. Dann ist aber doch todtraurig, wenn Menschen drunter leiden. Und das ist es auch, aber es ist auch nicht leicht da raus zu kommen. Irgendwie müssen wir ja arbeiten für den Lebensunterhalt, so einfach ist das ja nun nicht. Viele von uns Erwachsenen werden das bestätigen. Aber die Frage, die Bergmann sich und anderen immer wieder stellt, die kann sich jede und jeder immer wieder stellen, auch und grade Ihr, in den nächsten Jahren:

Was wäre denn eine Arbeit, die ich wirklich, wirklich will?

Eine Arbeit, die mich erfüllen würde, wo ich leidenschaftlich dabei wäre, die mich brennen lässt und manchmal auch Essen und Trinken vergessen lässt? Wenn Gott sich etwas Gutes mit der Arbeit gedacht hat für uns, dann müsste es das doch geben...?

Auf diese Frage, liebe Konfis und liebe Erwachsene, was wäre eine Arbeit, die ich wirklich, wirklich von Herzen will, gibt es keine einfach Antwort. Aber sie alleine zu stellen, verändert schon mal meinen Blick aufs Leben (und mein Arbeiten). Was wäre denn, wenn...? Stellt Euch, stellen Sie sich doch mal diese Frage. Gibt es einen Traum? Gibt es etwas, von dem Ihr sagt, vom dem Sie sagen: Oh Mann, das genau wäre mein Ding, das könnte ich, das will ich, das ist es...?

...

Aber da kommen dann schnell die Bedenken. Die Ängste. Die Frusterfahrungen. Die leisen oder lauten Stimmen in mir sagen: So einfach ist das alles nicht, Träume sind Schäume...

Liebe Konfis, liebe Erwachsenen, ja, das ist auch alles richtig. Leider sind wir Menschen aber geprägt durch etwas, dass die Bibel Sünde nennt. Auf deutsch: wir verfehlen das Ziel unseres Lebens und machen uns und den anderen das Leben schwer.
Indem wir der Arbeit zu viel Raum geben und die Ruhe vernachlässigen.
Indem wir Menschen Arbeit verweigern.
Indem wir auf Kosten anderer leben.
Indem wir Menschen unter Arbeitsbedingungen abeiten lassen, die man nur als Ausbeutung bezeichnen kann oder die Menschen an Körper und Seele erkranken lassen.
Indem sich viele Tag für Tag frustriert und mit Widerwillen zur Arbeit schleppen.
Aber auch, indem wir uns klein machen, Träume zuschütten, eher auf andere als auf die Stimme meines Herzens höre.

Nur: wenn Gott eine gute Absicht mit der Arbeit für uns Menschen verbindet, wenn wir zum Arbeiten geschaffen sind, und das meint ja nicht nur die berufliche Arbeit, auch die Hausarbeit, die Erziehung von Kindern, die Pflege von alten Menschen und den ganzen riesigen Bereich von ehrenamtlicher Arbeit, also, wenn wir von Gott so zur Arbeit geschaffen sind, wie der Vogel zum Fliegen, wie Luther sagte, dann können wir nicht bei den Lasten, den Beschwernissen stehen bleiben und uns einfach damit abfinden.

So sind wir eingeladen, uns vom Glauben an den uns liebenden Gott prägen zu lassen und daran zu arbeiten, buchstäblich, dass es uns und anderen gut geht. Das bleibt eine lebenlsange Aufgabe. Es bleibt eine Aufgabe, das anzustreben und zu verwirklichen, was Jesus mal so ähnlich gesagt hat:

Die Arbeit ist für den Menschen da, nicht der Mensch für die Arbeit.

Das gilt für jeden einzelnen, für unsere Gesellschaft, für die ganze Welt.

Liebe Konfis,
Ihr werdet in den nächsten Jahren viel, sehr viel übers Arbeiten nachdenken und reden müssen. Entscheidungen müssen getroffen werden. Und das ist alles in unsicheren Zeiten nicht einfach. Aber wenn Ihr diese Frage in Eurem Kopf, oder besser im Herz bewahrt, dann habt Iihr einen guten Kompass:

Fragt euch, wo es euch wirklich packt, was ihr leidenschaftlich gerne machen würdet und versucht dies zu verwirklichen, dem so weit wie nahe entgegen zu kommen.

Und Sie, liebe Eltern, Verwandten, Freunde: Unterstützen Sie diese jungen Menschen nach Ihren Möglichkeiten darin, Ihren Weg zu finden. Nicht irgendeinen Weg. Sondern ihren Weg. Fördern und und, ja: fordern Sie diese jungen Menschen dabei, dieser Frage nach zu spüren: Was ist es, was ich wirklich, wirklich will? Natürlich: Es geht im Leben nicht ohne Kompromisse ab. Aber lassen Sie nicht zu, dass diese jungen Menschen gleich mit Kompromissen beginnen, sondern erst mal beharrlich nach Ihren Träumen, Hoffnungen, Leidenschaften fragen und suchen und nach ihrer Verwirklichung.

In diesem Sinne ende ich mit den Worten des Psalmes:

Der Herr, unser Gott, sei uns freundlich und fördere das Werk unsrer Hände bei uns. Ja, das Werk unsrer Hände wollest du fördern!

Amen.

 

Die Zitate von Frithjof Bergmann finden sich in seinem Buch:

Neue Arbeit, neue Kultur, Arbor-Verlag 2004 (S. 372)